Betreff: Re: kleine Überlegung

Von: Bank der Kuenste

Datum: Sat, 30 Apr 2005 02:09:43 +0200 (CEST)

An: BANK der KÜNSTE

J. schrieb:


Liebe Bank der Künste,

ich habe mich sehr gefreut mal wieder etwas von euch zu hören und in der Mail mit dem Betreff "Ich versichere Ihnen..." auch einen Anreiz gefunden, mich selbst einmal zu Wort zu melden. Zwar kann ich nicht abstreiten, dass auch die Aussicht auf zwei Musik-CDs verlockend ist, dennoch ist diese Mail hauptsächlich beeinflusst durch die den Absatz über Schule und Systeme.

Leider wurde, wohl auch auf Grund der schon vorgerückten Uhrzeit, dieser Gedanke nicht näher ausgeführt, daher möchte ich an dieser Stelle erste weitere Überlegungen anregen, da mich dieses Thema in letzter Zeit, auch schon vor Eintreffen der Mail, sehr beschäftigt hat.

Die Frage war, inwiefern man als Teil eines Systems überhaupt Aussagen über das System selbst oder über es hinaus treffen könne. Als Ausgangspunkt zu dieser Fragestellung wurde die Feststellung genannt, dass ein Lehrer plötzlich anders bewertet wurde, nachdem man nicht mehr Teil des Systems Schule war.

Bei logischen Systemen ist es schon lange erwiesen, dass man gewisse Aussagen über das System nur in einer Metasprache ausdrücken kann, also einer Sprache, die sich eines höheren logischen Systems bedient, um über das System sprechen zu können. Einen vollständigen Überblick über ein logisches System kann man demnach immer nur von außen haben.

Die Frage die sich stellt ist: Kann man Einrichtungen des Lebens als logische Systeme auffassen, also als Systeme, die auf einer begrenzten Anzahl von Axiomen und Regeln beruhen? Und weiter gedacht: Ließe sich eine solche Betrachtungsweise vielleicht auch auf andere Bereiche des Lebens oder letztendlich auch auf das Leben allgemein sinnvoll anwenden?

Möglich ist dies, wenn man annimmt, dass die Systeme, in denen wir unsere Umwelt denken, nicht von der Umwelt gegeben werden, sondern Interpretationen unserer Umwelt sind. Soll heißen, wir versuchen, das, was uns gegeben ist, in einem System unterzubringen, damit wir es verstehen. Hierraus folgt nicht, dass das uns Gegebene irgendeinem System gehorcht, aber wir sind genötigt es so zu interpretieren.

Zugegeben, diese Systeme hätten eine erstaunlich hohe Anzahl an Axiomen und Regeln. Aber wir haben schließlich ein ganzes Leben Zeit, diese zu lernen. Die meisten dieser Axiome und Regeln wären uns dann als solche gar nicht bewusst, aber man hätte hierdurch eine sinnvolle Erklärung dafür, was eigentlich ein Weltbild sein soll.

Jetzt kann ich also noch einmal auf die Anfangsüberlegung zurückkommen: Nehmen wir an, das System Schule, welches wir denken wenn wir Schüler sind beruht auf  anderen Axiomen und Regeln, als das System Schule, welches wir denken, wenn wir die Schule einmal verlassen haben. Man könnte das letztere System nun als eine Art Metasprache auffassen, muss hierbei aber bedenken, dass wir nun nur beschränkt Aussagen über unsere Metasprache machen können und daher vorsichtig sein müssen, wenn wir annehmen wollen, dass wir nun einen besseren Blick auf unser System Schule haben. Es ist letztlich doch nur ein anderer.

Ich hoffe, ich konnte einige Leute zum mitdenken anregen, und freue mich schon auf eventuelle empörte Reaktionen.

Psycho, entschuldige, aber ich werde mich auch weiterhin strikt weigern, irgendwelchen sinnlosen Gegenbewegungen gegen die sinnlose Rechtschreibreform anzuhängen, und daher auch weiterhin meine Mails in neuer Rechtschreibung verfassen.

Mit freundlichen Grüßen aus Freiburg,

J.

   

Ich bin eventuell empört!
Ich wollte eigentlich nur, doch das ist ja garnicht der Punkt, bemerken - gehe hierbei offensichtlich auf die mir persönlich zugedachte Bemerkung zuerst ein -, dass - es tut mir leid, wenn man mich darin mißverstanden hat - ich es begrüße, wieder Leben in der Debatte zu erkennen. Es geht mir hierbei vorder- und vielleicht auch hintergründig nicht um die Debatte an sich, sondern auch nicht um die Inhalte im speziellen, nur insofern, dass es mich mit Freude (und zwar ausgesprochener) erfüllt, festzustellen, wie die Welt doch so schlecht nicht ist und manche politisch - denn darum geht es groß-, wenn auch nicht ganzteils - rücksichtslosen, undemokratischen, unreflektierten Entscheidungen, noch dazu über Themen, zu denen die Kompetenz des die Initiative tragenden und urteilenden Organs keinesfalls hinreichend ist, zu ihren Verursachern, wie ein toter Fisch, der sich für einen Bumerang hält, zurückschnellt und ihnen ihr Lieblingshemd vollkleckern.

Das Problem ist nicht die Sprache. Ich verurteile in keiner Weise jemanden, der aus Überzeugung oder Ignoranz - beides edle Tugenden - der neuen Rechtschreibung gebräuchig wird und ist, sie hat keine besonderen Nachteile, wenn sie sinnvoll verwendet wird. Ebensowenig, wie die alte, wenn sie unsinnvoll... aber lassen wir das!
Der Punkt ist, dass Sprache nicht auf diesem Wege geregelt werden kann und darf, sowieso aber sollte. Und das alles wurde falschgemacht. Der Sinn einer Staatsorthographie liegt in der Stabilisierung und Babelbungalowisierung der Sprache innerhalb der räumlich und generationell inter- und contraagierenden Gesellschaft: der Schüler kriegt beigebracht, wie man schreibt (und spricht) - also nach welchen Regeln die existierende (!) Sprache abzulaufen scheint -, und kann sich somit auch mit anderen Generationen und Regionen verständigen. Descriptive, nicht normative Wissenschaft Philologie.
Und dass man jetzt sieht, einen Fehler gemacht zu haben, ist positiv, weil ich somit ein wenig recht hatte, man vielleicht nicht so bald wieder einen so einschneidenden Fehler machen wird, der sich zuspitzende autoritäre Führungsstil in der herrschenden Demokratie sich in einem nicht so schmerzhaften Bereich entlarvt hat.
Ich kann jemandem garnicht verbieten, irgendeine Rechtschreibung anzuwenden. So funktioniert Sprache nicht. Ich kann verweigern, es zu lesen, weil es unverständlich ist, ich es nicht mag, oder mir die Schriftart nicht gefällt. Solange etwas verständlich wird/ist, hat der Autor vielleicht erreicht, was er wollte. Denn jeder einzelne macht Sprache. Dadaismus gibt es schon, wir brauchen keine Kommission, die in uns erfindet und vorschreibt. Darum werde ich wohl weiterhin eine Mischung aus Satire, Unwissenheit und mangelndem Korrekturlesen (mir tatsächlich manchmal unangenehm) mit einem Quäntchen Entwicklung durch phasenweide Abwechslung von Konsequenz und Inconsequenz als Maßstab meiner Rechtschreibung gebrauchen.

Doch eventuell bin ich immernoch empört. Denn ich muss ja niemals irgendein System verstanden oder durchschaut haben, damit ich eine Meinung dazu haben kann. Auch eine Änderung meiner Anschauung muß nicht aus einem verändertem Einblick in das System resultieren. Vielmehr sind es oft Werteverschiebungen, die man aufgrund der im Laufe der Zeit gemachten Erfahrungen durchläuft, ursächlich für solche Wechsel. Beides macht jedoch Sinn. Ich pflichte folglich bei, darauf hinweisend, dass es sich, aus der Natur der Sache resultierend, um eine Vereinfachung des Sachverhalts handelt und handeln muß.

psycho


P.S.: Ich kann zwar leider keine CDs gewinnen, danke aber für den schönen Artikel, ermuntere auch den Rest der Leserschaft zu Beiträgen. Schönes Wochenende! Ich geh jetzt duschen. Falls es jemanden interessiert.

BANK_der_KUeNSTE@gmx.de


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